Zehn Rock-Klassiker Made in 1968

Jefferson Airplane – Crown Of Creation (1968)

Mit Hits wie „Somebody To Love“ und „White Rabbit“ hatten sich die West-Coast-Rock-Bannerträger aus San Francisco längst international einen Namen gemacht, als sie 1968 mit „Crown Of Creation“ ihr bestes Album veröffentlichten.

Die (zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene) Harmonie im filigranen, zerbrechlichen Beziehungsgeflecht hochtalentierter Musiker und Songschreiber, das mit „Band“ schlecht beschrieben ist, die Verdichtung und Ergänzung ihrer Fähigkeiten brachte hier Großartiges hervor. Und viel mehr als schöne Vokalharmonien und stimmungsvolle Piano- und Gitarrensounds. 

Bester Song der LP ist die Ballade „Triad“ – mit einer Grace Slick in stimmlicher Bestform, doch auch alle anderen Titel sind herausragend. Feinster Westküsten-Sound mit sehr viel Gefühl!

 

Spirit – Spirit (1968)

Mit einem Debut-Album gleich neue musikalische Maßstäbe zu setzen – das gelingt nur ganz wenigen Bands. „Spirit“ aus Los Angeles haben das geschafft.

Auf ihrem selbstbetitelten Erstlingswerk definieren sie Westcoast-Rock neu, frisch, inspirierend und wohlklingend unkonventionell. Fünf hochtalentierte Musiker mit ganz unterschiedlichen musikalischen Wurzeln verquirlen Blues, Folk, Jazz und Hardrock zu einer betörenden Melange.

Während der 17-jährige Randy California, der vor Spirit schon mit Jimi Hendrix zusammen spielte, seiner E-Gitarre sensationelle Sounds entlockte, sorgte sein Stiefvater, der versierte Jazz-Drummer Ed Cassidy, für die rhythmische Basis. Bassist Mark Andes, Keyboarder John Locke und Sänger/Tastenspieler Jay Ferguson, die, neben Randy, Songs für die Band schrieben, ließen ihre Blues, Rock- und Jazzideen mit einfließen – und komplettierten so den ganz besonderen Spirit-Sound.  

Nach „Spirit“ folgten noch drei weitere, exzellente Longplayer mit der genialen Ursprungsbesetzung, doch das erste Album der Band sollte in keiner LP- bzw. CD-Sammlung fehlen. 

The Kinks – We Are The Village Green Preservation Society (1968)

Es ist schon paradox: Eine der kommerziell erfolglosesten LPs der Band aus Muswell Hill im Norden Londons gilt – bei vielen Fans und Kritikern – allgemein als bestes Werk der „Kinks“.

Thema des Konzeptalbums ist das traditionsreiche, beschauliche englische Landleben – mit all seinen netten, schrulligen aber auch spießigen Facetten. Wie Songschreiber Ray Davies dem kleinbürgerlichen Vorstadtidyll mit sympathischem Augenzwinkern richtige Hymnen widmet, ist einfach bezaubernd – und typisch Ray!

Nostalgischer Höhepunkt des abwechslungsreichen Melodienreigens ist die Hommage an die gute alte Dampflok: „Last of the Steam-powered Trains“. Und mit „Picture Book“ und „Monica“ hat „The Kinks Are The Village Green Preservation Society“ zwei waschechte Pop-Ohrwürmer mit im Programm.

Grateful Dead – Anthem Of The Sun (1968)

Bereits mit  ihrem zweiten Studioalbum schrieb die Musikerkommune und Westcoast-Legende aus San Francisco Rockgeschichte, obwohl Joe Smith, der Boss der Plattenfirma, mit denen „Grateful Dead“ damals einen Vertrag hatten, meinte: „‘Anthem Of The Sun’ ist das unvernünftigste Projekt, an dem sich Warner Bros. jemals freiwillig beteiligt hat.“

Die ungezügelte Studio-Experimentierfreude von Leadgitarrist Jerry Garcia und seinen Dead-Kollegen, die ihre neuen Songs in Eigenregie ohne Producer einspielten, ließen einen unvergleichlichen, collageartigen Psychedelic Rock entstehen.

Neben den üblichen Standardinstrumenten einer Rockband kamen u.a. zum Einsatz: Cembalos, Pauken, Kazoos, Trompeten und diverse exotische Schlaginstrumente. Und in die Studioaufnahmen wurden sogar Schnipsel von Live-Auftritten eingeflochten. 

„Anthem Of The Sun“ schlug den damaligen Hörgewohnheiten ein Schnippchen und erwies sich als gelungenes musikalisches Wagnis. Aber das Album war auch, wie der Grateful-Dead-Percussionist Mickey Hart meinte, „The vehicel to weirdness".

The Rolling Stones – Beggars Banquet (1968)

Der große Hit auf diesem Album ist natürlich „Sympathy For The Devil“, ein Monster von einem Song. „Street Fighting Man“ rockt gewaltig und passt thematisch perfekt in die Zeit. Doch das Herausragende an „Beggars Banquet“ war und ist die enorme Stilvielfalt. 

Nie klangen die Stones abwechslungsreicher: Blues, Country, Riff-Rock, Balladen … Für die Studioaufnahmen konnte die Band Nicky Hopkins gewinnen, der sein perlendes Pianospiel beisteuerte. Und für stimmige  Backing Vocals auf „Beggar’s Banquet“ sorgten u.a. Marianne Faithfull und Anita Pallenberg, die Freundinnen der ‚Glimmer-Twins’.

Mit tollen Rhythmen und betörenden Melodien schufen die Rolling Stones eines ihrer besten Alben, nach dem Motto: erst knallhart – und dann wieder völlig relaxed.

Van Morrison – Astral Weeks (1968)

Auf seinem zweiten Solo-Album zeigt der nordirische Singer/Songwriter, wie man in genialer Weise Folk, Jazz, Soul und Blues zu etwas komplett Eigenständigem zusammenmixt.

Mit Unterstützung namhafter Jazz-Musiker aus New York gelang Morrison ein Werk, das in zahlreichen „Bestes-Album-aller-Zeiten“-Listen auf den vordersten Plätzen auftaucht. 

Im renommierten Magazin „Rolling Stone“ erreichte „Astral Weeks“ Platz 19. Der britische „Independent“ schrieb vor drei Jahren über Van Morrisons Meisterwerk: „Ein Meilenstein, ein so zeitloses Album, das jedes Mal wenn man es hört, seinen Zauber neu entfaltet.“

Jimi Hendrix – Electric Ladyland (1968)

Selbst vom Ausnahmegitarristen aus Seattle produziert, wurde „Electric Ladyland“ am 16. Oktober 1968 veröffentlicht. Das Doppelalbum gilt allgemein als Krönung des musikalischen Schaffens von Hendrix, der keine zwei Jahre später starb.

Die bekanntesten Titel der Doppel-LP sind „All Along The Watchtower“, eine geniale Coverversion des Songs von Bob Dylan, sowie „Voodoo Chile“, eine Nr. 1 in den britischen Charts nach Jimis Tod. 

Stilistisch gesehen zieht Jimi Hendrix auf „Electric Ladyland“ sämtliche Register: Psychedelischer Sound gesellt sich zu Rock’n’Roll, wie er in 50er Jahren gespielt wurde – und natürlich spielt der Blues eine große Rolle.

Bei den Studioaufnahmen musikalisch unterstützt wurde Hendrix übrigens von Mitgliedern der Bands „Jefferson Airplane“ und „Traffic“. 

The Beatles – White Album (1968)

Trotz aller Disharmonien, die während der Song-Aufnahmen unter den Bandmitglieder herrschten – nicht nur weil Yoko Ono sich im Abbey Road Studio eingenistet hatte – gelang den Beatles ein großartiges Album. Das „White Album“ ist die erste Veröffentlichung der Liverpooler auf ihrem eigenen Plattenlabel „Apple“ und ihre einzige Doppel-LP.

Die stilistische Bandbreite der 30 Songs ist enorm, George Harrison hat vier Kompositionen beigesteuert, darunter der Klassiker „While My Guitar Gently Weeps“ (mit Eric Clapton an der Sologitarre), und Ringo Starr einen Song.

Zu harten Rockern wie Paul McCartneys „Helter Skelter“ gesellen sich subtile Ohrwürmer wie John Lennons „Sexy Sadie“ oder charmante Folk-Nummern wie Pauls „Blackbird“. 

Das „White Album“ ist das abwechslungsreichste und vielseitigste Werk der Beatles – und gilt deshalb für viele Fans und Kritiker als ihr bestes.

The Small Faces – Ogdens' Nut Gone Flake (1968)

„Brit-Pop goes psychedelic“, schrieb ein Kritiker über das vierte Album der Londoner Band um Sänger und Gitarrist Steve Marriott, was vor allem für die B-Seite der LP zutraf: In sechs psychedelisch angehauchten Songs geben die Small Faces wunderliche Märchen zum Besten – Geschichten über „Happiness Stan, der sich auf die Suche nach der fehlenden Mondhälfte begibt.

Musikalischer Höhepunkt des Albums ist zweifellos „Lazy Sunday“, der größte Hit der Small Faces und einer der besten Rock-Songs aller Zeiten. Auch „Afterglow“, das als „Afterglow Of Your Love“ später noch einmal als Single veröffentlicht wurde, ist herausragend – eine wunderschöne Power-Ballade.

Für den Titel der LP verantwortlich zeichnet sozusagen die Tabakdose, in der die Bandmitglieder ihr Dope aufbewahrten. In ihrer Ursprungsfassung bestand deshalb die Plattenhülle aus einer runden Metallverpackung, die aus Kostengründen bald von einer Kartonversion ersetzt wurde. 

 

The Zombies – Odessey & Oracle (1968)

Das Rock Business steckt schon voller kurioser Anekdoten: Da gibt es eine englische Band, deren zweites Album gerade veröffentlicht wird – die sich aber vorher schon aufgelöst hat.

Doch es wird noch verrückter: Obwohl sich die Platte schlecht verkauft, wird sie später zum Klassiker und Kultalbum erklärt und taucht in vielen Best-of-Alben aller Zeiten auf. Die Rede ist von den „Zombies“ und ihrem Werk „Odessey And Oracle“.

Natürlich ist „Time Of The Season“ der große, später oft gecoverte Hit des Albums – weltweit ganz oben in den Charts, nur nicht im Heimatland der Zombies. Doch musikalisch will dieser letzte (großartige) Titel der B-Seite nicht so ganz zum Rest passen.

Die anderen Songs bilden eine wohlklingende Einheit: Colin Blunstones softe Stimme, Rod Argents abwechslungsreiches Keyboardspiel plus einschmeichelnde Melodien und Harmonie-Vocals mit leichtem Flower-Power-Flair fügen sich zu einer Song-Kette zusammen – und kreieren einen ganz eigenen Sound.

Los Lobos – Kiko

 

Als die Band aus Los Angeles 1992 mit „Kiko“ ihr sechstes und bislang bestes Album veröffentlichte, waren seit ihrer Gründung bereits 19 Jahre vergangen. Für die meisten Menschen, die gern Pop- und Rockmusik hören, sind Los Lobos eine Tex-Mex-Band, die 1987 mit „La Bamba“, einem Song aus dem Soundtrack zum gleichnamigen Film, einen großen, weltweiten Hit hatten – und dann wieder in der Versenkung verschwanden.

 

Dass die südkalifornischen Wölfe musikalisch viel mehr zu bieten haben, als rustikale Akkordeon-Polka-Nunmern und schwülstige Herzschmerz-Balladen, beweisen sie eindrucksvoll mit ihren 16 Songs auf „Kiko“ – und geizen dabei nicht mit tollen Melodien und magischen Rhythmen.

 

Da groovt es raffiniert wie auf „Wake Up Dolores“, rockt satt wie auf „Wicked Rain“ und versprüht uriges Blues-Feeling wie auf „Peace“. 

 

„Reva’s House“ präsentiert Wohlfühl-Midtempo-Rock, „Arizona Skies“ hat knisterndes Lagerfeuer-Flair und „That Train Don’t Stop Here“ kommt mit Rockabilly-Swing recht flott daher.

 

„Whiskey Rail“ ist klassischer Southern Rock pur, wie ihn heute höchstens noch die Jungs von Blackberry Smoke aus Atlanta, Georgia spielen können. „Kiko And The Lavender Moon“ hat die Qualität eines Western-Soundtracks, und mit „When The Circus Comes“ ist David Hidalgo und seinen Bandkollegen ein wundervoller Ohrwurm-Song gelungen.

 

Mit „Rio De Tenampa“, dem letzten Titel des Meisterwerks, erinnern Los Lobos eindrücklich an ihre musikalischen Wurzeln. Zum schmissigen Rhythmus spielt eine Blaskapelle fröhlich auf, als wolle sie die Gäste einer mexikanischen Bauernhochzeit in Stimmung bringen. Spätestens jetzt sollte die Tequila-Flasche geöffnet werden! 

 

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass für die exzellente Produktion von „Kiko“ kein geringerer als Mitchell Froom verantwortlich zeichnet. Mitch, der an den Keyboards immer wieder befreundete Musiker unterstützt und aktuell zum Line Up von Neil Finn’s wiederbelebtem „Crowded House“ gehört, hat schon Top-Alben von Elvis Costello, Paul McCartney, Joan Osborne oder Suzanne Vega produziert. Dieser Mann hat’s halt drauf!